Alpenflug im Rennmodus

Liebe Gruess usem Südtirol vom ganze Team Haslital

Notizen zum Renngeschehen von Roli:
1210 Uhr, kurz unter der Mausefalle:
Lars steigt mit Max, einem seiner grossen Mitstreiter, ein wenig hinter den schnellsten Läufern zum Startplatz. Chrigel beweist den Jungen, dass er die Beine noch hat und ist einer der schnellsten Läufer. Dann geht es in die Luft!
Am Brienzersee geht das erste Gewitter vorbei. Wie sieht es in den Ostalpen aus? Die Prognosen waren stabil. Jetzt schauen wir mal rein ins Live-Geschehen…
14 Uhr:
Überraschung! Schon in eisigen Höhen über den Alpenhauptkamm. Ein Rennen im Vollgas unter der Basis auf fast 4500 Metern. Die Thermik ist stark und kaum von Wind gestört in diesem heiklen Alpenkamm-Überflug. Franzosen zu dritt Teamfliegen. Patrick in ihrer Gruppe. Lars fliegt seine Linie. Da – er fliegt voraus! Die Spitze wechselt Schlag auf Schlag. Ein nie gesehener Starttag in die X-Alps, ein Hochgeschwindigkeitsrennen über alle Berge. Die Dolomiten scheinen bereits auf sicher, die Pflicht-Wendepunkte 2 und 3 mit Landung, Klettersteig zu Fuss schon heute ein entscheidender Faktor.
Chrigel, Nicola müssen an der Venedigergruppe tieferen Umweg ins Osttirol fliegen, sind aber nur Kilometer hinter der Spitzengruppe auf ihrer Ideallinie. Wie kommen die Piloten mit der dünnen Luft, der eisigen Kälte aus? Stand das auf dem Trainings-Programm, mit einem Minimum an Kleidern solche Passagen zu fliegen? Die Franzosen und die Schweizer sind es gewohnt, aber vielleicht mit dickeren Handschuhen. Und wie entscheidet man richtig, so lange in so dünner Luft? Pulkfliegen kann da nicht schlecht sein, obwohl Lars das nicht so schätzt. Gibt es noch eigene taktische Möglichkeiten bis zur obligatorischen Landung in der Hitze des Tales?
14.40
Lars führt diese sensationelle Flugprüfung ebenso sensationell. Er quert als erster ins xc-berühmte Defreggental, mit einigen Kilometern Strecke und einigen hundert Höhenmetern Vorsprung. Der deutsche Schugg kommt schräg tiefer auf Lars› Linie. Wer nimmt die richtige Höhe mit in die Dolomiten, die von Minute zu Minute näher rücken? Der Deutsche gerät in 2500 Metern Höhe in starken Talwind, kann mitten im Tal doch wieder aufdrehen. Lars ist siebenhundert Meter höher und dreht mit weniger Windversatz, verlässt den Schlauch aber in relativ geringen 3300 Metern Höhe. Ist das schon die stabile Südalpenluft? Lars geht auf die Südseite. Die Franzosen, Patrick und weitere taktieren in den höheren Bergen nördlich des Tals, drehen in höheren Thermikquellen. Chrigel und Nicola kommen weiter taleinwärts ins Geschehen.
14.55
Lars¨ Track bleibt wieder einmal stehen, gerade jetzt! Die Meute kommt aus fast 4000 Metern Höhe hinterher. Lars steckt auf dem Bildschirm auf 3200 Metern fest. Kann er sich absetzen, oder nicht! Wie auch immer. Er zeigt Wettkampfkönnen, das er nie unter Beweis gestellt hat, wie die Franzosen mit ihren Enzo 3 in nationalen und internationalen Wettkämpfen. Aber jetzt: Er ist in Vollgas-Tasks nicht nur dabei, er geht auf Risiko! Das gefällt mir, lässt aber auch den Puls höher schlagen. Geht das auf, so früh allein loszuziehen? Die Südalpen werden jetzt ganz andere Herausforderungen stellen. Max hält sich auffallend zürück, nicht wie an der EM letzten Sommer in Spanien, wo er regelmässig vorne ausriss.
15.00
Lars nur noch 15, 20 Kilometer vor Sexten, vor der Landung am Schreibbrett! Und immer noch gut vorne, vor allen alten Favoriten, mit einigen Kilometern und gut Höhe Vorsprung! Noch muss Lars Höhe verwalten. Vor Sexten steht noch ein Gipfelgrat mit 2600 Metern Höhe im Weg. Dann geht es auf›s Gleiten. Ah, das tut gut. Das ist die einzig richtige Antwort auf die dumme Strafe im Prolog. Wir werden heute abend sehen, wie gut seine Ausgangslage für den Start morgen Montag mit einer Stunde Zeitstrafe sein wird.
15.12
Das Toblacher Pfannhorn stellt sich Lars in den Weg. Er soart an der Nordseite! Da hinzufliegen ohne Höhe für den Final-Glide, das war eine grosse Entscheidung. Geht es, geht es? Ja! Er schleicht über den Ostgrat und hat wieder Luft nach unten. Aber zu früh gefreut. Sexten liegt auf 1300 Metern Höhe! Und Lars muss noch 7 Kilometer dahin produzieren. Sicher Talwinde, stabile Luft, Abschattungen? Ich hab keine Zeit, webcams zu schauen. Zu spannend. Die Meute kommt kaum wesentlich höher hinterher, aber entscheidend höher? Und finden sie im Pulk den besten Abflug nach Sexten?
15.22
Genau das ist passiert. Der Ausreisser ist gestellt. Damien teamt jetzt mit Tim, Patrick mit Max. Und sie kommen über dem Talwind an, Damien und Tim können gleich weiter in den Endanflug, Patrick und Max können versetzt nochmal aufdrehen, in mässigem Steigen. Damien und Tim wagen den Endanflug aus 2300 Metern Höhe. Es wird knapp. Eingangs Sexten müssen sie kurz ansoaren und es gibt eine Massenankunft etlicher Piloten aus dem Pulk aus unterschiedlicher Höhe. Lars muss vor dem Endanflug soaren, ist überholt – aber nicht geschlagen. Er hat die Chance, noch rasch auf die Ideallinie zurückkommen und mit wenig Abstand in Sexten zu landen, der gebührende Respekt der alten Hike-And-Fly-Kollegen und neuen x-alps-buddies ist ihm sicher. Wie ist der Pustertaler-Wind? Ich habe keine Ahnung. Das Tal ist mächtig lang und tief. Sexten ein Nebental. Wir werden es gleich wissen. Die Franzosen erreichen den Talschluss.
15.43
Lars ist nach seiner Achtungsschleife mit wenig Rückstand am Signboard. Chrigel und Nicola noch in der Luft. Die üblichen zwei Drittel Piloten noch weit in den Osttiroler Alpen verteilt. Nun geht es für die Spitzenleute, auch Lars und Nicola, auf einen der viel gerühmten und kritisierten Klettersteige in den Dolos! 1300 Höhenmeter, rund zehn Kilometer Strecke. Dann westwärts nach Meran. Das könnte weitere Flüge geben, heute abend! Wir werden es morgen wissen. Ich stelle hier diesen Bericht auf die flob-seite und melde mich wieder morgen spät oder Dienstag morgen.
Rückblick:
80 Kilometer Flug mit Aufstieg auf den Hahnenkamm in gut vier Stunden. Aber was für 80 Kilometer! Die Alpen sind hier doppelt so breit wie hier bei uns im Berner Oberland. All diese Ketten zu überfliegen in einem rasend schnellen Flug – das wird nicht so rasch wieder passieren. Eine der schwierigsten Schlüsselstellen in diesem fürchterlich langen x-alps ist überwunden. Lars und alle Schweizer mitten in den Favoriten um Chrigel und Max! Ich schreibe schon wie diese verrückten Energie-Drink-Leute… Na, dann gut Nacht...
Nachtrag 1730 Uhr: Wie an der Schnur gezogen steigen die Jungs zur Dreizinnenhütte auf. Dicke Wolken ballen sich über den Sextener Dolomiten zusammen. Ob sie das Gipfelfoto noch machen können? Das Mädel im Umzug hat übrigens den Alpenflug auch gut gemeistert und ist nach Aussenlandung im Pustertal auf dem Marsch nach Sexten - vor einer Zeile von Männern. Hoffe, sie bleibt im Rennen, vor der fürchterlich blöden Elimination verschont.
Nachtrag 20 Uhr:
Schaut euch das Bild von der Dreizinnenhütte an! Hagel wie Schnee... Rechts davon ist Lars eben noch einige fünf Kilometer ins Tal runter gesegelt, um sich der Spitzengruppe anzuschliessen. Dort brechen alle morgen früh auf, um einen guten Ausgangspunkt für einen ersten oder einzigen Flug zu finden.