Der nächste sehr lange Flugtag. Lars und sein Team müssen nun allein an der Spitze navigieren. Sie erledigen diesen Job souverän. Lars kann zwischenzeitlich Chrigel und Aron sogar distanzieren. Im Misox schliessen die Verfolger etwas auf. Hinter den Drei straucheln die üblichen Verdächtigen.
Zusammenfassung 6. Renntag:
Tagwach heute ist um kurz vor 5.00 Uhr, da wir wieder zeitig starten möchten. Ein "Gjufel" haben wir aber nicht, denn zuerst ist ein Aufstieg mit einem langen Abgleiter ins Aostatal vorgesehen, dann ein zweiter Aufstieg und danach möglichst direkt in die Thermik einsteigen. Menk begleitet ihn bis ins Aostatal, dann geht Lars alleine weiter. Wir Supporter gönnen uns erst mal ein grosszügiges Frühstück in Morgex. Auf dem Livetracking immer mit dabei, sehen wir, dass Lars nach dem Aufstieg gut wegkommt und die Thermik zum Glück etwas früher einsetzt, als angenommen. So fliegt Lars mehrere Stunden im Aostatal von Seite zu Seite, manchmal höher, manchmal tiefer, einmal geht's gratis hoch, ein anderes Mal ist ein Gebastel. Aaron Durogati und Chrigel Maurer sind ihm dabei dicht auf den Fersen. Mehrere Male sieht es so aus, als ob er jetzt gerade eingeholt werden würde. Dann aber vergrössert sich sein Vorsprung wieder und er quert immer noch als Führender Domodossola, kann an der anderen Talseite wieder anhängen und durchs Centovalli heizen. Die TMA Locarno umfliegt er grosszügig und kommt daher nördlich zur Cimetta. Kurz nach 16 Uhr setzt Lars als erster Athlet seine Unterschrift auf das Signboard des TP13. Kaum 5 Min. später ist er schon wieder in der Luft, um gleich weiter nach Bellinzona zu kommen.
Wir Supporter sind mit unseren beiden Bussen wiederum lange unterwegs. Nach dem gemeinsamen Frühstück im Aostatal nehmen wir verschiedene Routen in Richtung Tessin, um Lars bei einer allfälligen Aussenlandung unterstützen zu können. Bus 1 mit Chlous und Menk nimmt den schnellsten Weg via Autobahn, Bus 2 mit Yannick, Lisa und mir fährt via Ossolatal, wo wir Zugang zum Anzascatal und dem Centovalli haben. Als wir sehen, dass es gut kommt, nehmen wir eingangs Centovalli noch ein erfrischendes Bad in der Melezza und weiter geht's auch für uns nach Bellinzona. Zusammen mit Chlous und Menk bereiten wir alles vor, damit Lars nach der Landung gleich einen weiteren Aufstieg absolvieren kann, um hoffentlich nochmals Thermikanschluss zu finden, um heute Abend evtl. noch nach Chiavenna zu kommen. Vor Ort sind ebenfalls wieder Nägelis anzutreffen wie auch FLOB-Mitglied Matthias Lämmle, sogar ehrenhaft in der Vereinsbekleidung. Endlich sehen wir Lars im Gleitflug auf uns zukommen. Am Boden kann das Team SUI 4 aka Haslital 1 seine Freude kaum zurückhalten. Wir freuen uns gemeinsam über die starke Flugleistung und darüber, dass Lars auch hier das Signboard als Erster unterschreibt - diesmal mit "Team Hasli". Schnell umziehen, umpacken, verpflegen und bei 34° zusammen mit Yannick nochmals 600hm Vollgas in Angriff zu nehmen. Vom Lago Maggiore sehen wir ein Gewitterzelle auf uns zukommen. Lisa und ich sind derweil mit dem Bus ins Dörfchen Paudo hochgefahren und checken schon mal den Startplatz aus. Es ist eng und kurz, aber Lars sicherlich machbar und der Wind stimmt auch. Nach dem Eintreffen der beiden helfen wir Lars sofort, den Schirm auszulegen, damit er schnell wieder in die Luft kommt. Das gelingt und wir schauen ihm ein feinen Thermikdrehen noch ein Weilchen zu. Bald schon kommen seine beiden Verfolger Durogati und Maurer fast zeitgleich am selben Startplatz an. Wir machen und derweil auf den Rückweg ins Tal. Chlous und Menk haben sich schon aufgemacht in Richtung Chiavenna. Unser Bus stationiert sich zwischenzeitlich eingangs des Misox und beobachtet Lars, wie er leider bereits nicht mehr so hoch ist. Er landet schliesslich auf einer Alp auf ca. 1000m und gibt uns Bescheid, dass er versucht, noch auf ein Pässchen auf 2100m hochzulaufen, um von dort nach Chiavenna abzugleiten. Es ist allerdings bereits 19.30 Uhr und Lars muss pünktlich um 21.00 Uhr am Boden stehen. Ein ehrgeiziger Plan, aber probieren kann er's ja. Wir fahren also ebenfalls weiter über den Passo San Bernardino und raspeln die 52 Haarnadelkurven hinab nach Chiavenna. Menk und Chlous halten derweil Ausschau nach Lars, da es bereits nach 21.00 Uhr ist. Leider haben seit einer Weile keine Verbindung mehr zu ihm, da er sich in einem Funkloch befindet. Wir wissen also nicht, wo er ist und was er vor hat. Geflogen ist er offensichtlich nicht, also ist er wohl zu Fuss unterwegs, jedoch auf der schweizerischen oder italienischen Seite? Erst kurz nach Mitternacht wird endlich wieder eine Standort gesendet und wir sehen, dass er auf der Schweizer Seite in einer Hütte übernachtet. Nun können auch wir Supporter unsere Nachtruhe geniessen und freuen uns, morgen früh weiter mit Lars an der Spitze zu pushen.
ä liebe Gruess vum ganze Team Haslital!
Fabienne
Freitag, 20. Juni, sechster Tag, Rolis Fernüberwachung
Fabiennes Bericht und Bilder von gestern sind im letzten Blog nachgereicht. Habe schon viel Lob gehört, hier in Meiringen. Danke Fabienne!
Wir Fans an den Bildschirmen haben oft nicht die Mittel und die Zeit, uns ein richtiges Bild davon zu machen, womit es die Piloten auf Strecke tatsächlich zu tun haben. Warum büsst Lars zur Dufourspitze die Hälfte seines Vorsprungs ein? Wir können nur vermuten. Wir müssten Wetter- und Windkarten, Temperaturschichtungen, Webcams zu Rate ziehen, aber die Zeit fehlt vielen von uns. Wichtig ist auch, wie sich das Gelände unterscheidet, das Lars im Wege steht. Hier kenne ich mich nun gut aus. Das ist eines meiner liebsten Streckenreviere, seit Jahrzehnten. Hier kennt sich auch Lars aus. Wir sind uns hier auch schon in der Luft begegnet. Ich kann bestätigen: Rund um Domodossola, bis hin nach Bellinzona und ins Misox, das ist keine Flug-Autobahn. Da sind rasch Fehler passiert, die kosten. Hier sind innert Stunden zehn, fünfzig, hundert Kilometer Abstände passiert. Wind und Wetter können heute und morgen eine wichtige Rolle spielen. Nordwind und gewittrige Störungen sind gemeldet. Hier gehen Lücken auf. Man darf nicht weinen und wüten deswegen. Das kann jedem passieren.
Ich treffe Firzi hinter der Migros. Er erzählt mir die Geschichte von Celine, der einzigen Frau im Rennen. Sie landete neben einem breiten Bach, auf der falschen Seite, auf ihrem Weg Richtung Niesen. Sie wanderte talauswärts, in der Annahme, irgendwo würde eine Brücke kommen. Inzwischen liefen die Telefone heiss: Celine wanderte im Staubereich des Grimselsees! Keine Brücken!
Interessant. Nach bald einer Woche stehen in der Zwischenwertung immer noch die gleichen elf Namen vorne, mit zwei Ausnahmen: Nach Maxime fehlt jetzt ein weiterer hoch ambitionierter Franzose. Tim ist unter den nicht mehr aktiven Teilnehmern gelistet. Ich weiss noch nicht, warum. Dem waghasligen Acro-Weltmeister ist hoffentlich nichts Schlimmes passiert. Auch bei Max müssen wir später noch etwas nachberichten. Er hat offenbar aus verschiedenen Gründen unverletzt aus der Spitzengruppe heraus das Rennen aufgegeben. (Nachtrag: Gabriel Jansen Rabello (BRA) 🇧🇷 and Patrick Harvey-Collard (CAN2) 🇨🇦 were forced out due to injuries, and Tim Alongi (FRA3) 🇫🇷 withdrew after harsh conditions caught up with him in the mountains. Quelle Verantalter.)
Wie schon gestern zieht sich das Feld heute nochmal stark in die Länge. Unter denen, die weit zurückfallen, sind Nicola und Patrick. Ist es der angekündigte Nordwind? Die dichten Abschattungen? Gewitter und Regen? Das ist ein schwerer Rucksack für Lars' Freund Nicola. Er muss ins Wallis ausweichen, um morgen schlau ins Tessin zu gelangen. Damien Lacaze lässt sich nicht abschütteln. Er zaubert wie schon 23(?) den weitesten Flug des Tages hin - über das Wallis und über den Simplon in den Tessin und ist mit Simon Oberrauner zusammen ein ernst zu nehmender Verfolger für die drei Musketiere im Misox.
Aber jetzt freue ich mich masslos über Lars Solo-Vorstellung. Der weiteste Flug ohne Pflichtlandung heute! Ohne Flügelleute. Nur die Alpen und Lars. Das gefällt mir! Jeden Augenblick rechne ich damit, dass er in der trüben, heissen Luft im Val Vigezzo oder Val Onsernone wandern muss. Aber nein, er findet die schnellste Linie ins Maggiatal, steuert zielsicher den Prallhang über Gordevio an, der etwas von der Linie abweicht, aber viel schneller auf den Grat hilft. Lars kann deutlich früher als Chrigel und Aron auf der Cimetta unterschreiben und bessere Thermik nutzen, um ohne Federlesens hinter der CTR Locarno durchgleiten zum nächten Schreibbrett in Bellinzona. Nach so vielen Stunden Flugs ist auch der brutal heisse Aufstieg aus 200 Metern über Meer für Lars eine leichte Aufgabe. Er steigt nur wenige hundert Höhenmeter am Hang auf und nutzt den starken Talwind, um wieder im Flug weiterzukommen. Es wird schon Abend und ich rechne damit, dass Lars aus dem Tessin an den Comersee fliegt. Aber er entscheidet sich anders. Er will nahe an der direkten Linie nach St. Moritz bleiben und gleitet hinein ins Misox. Die üblichen Prallhänge im Talwind funktionieren jedoch nicht mehr und er muss weit hinten in einem für Fahrzeuge unzugänglichen Tal landen. Chrigel wählt die Komfort-Zone im Misox zum Übernachten, Aron campiert hoch auf der Grenze zu Italien (Hütte?).
Ich hoffe, alle haben die vielen Flugverbotszonen im Tessin straffrei passiert. Chrigel hat sich vor vielen Jahren eine 24-Stunden-Zwangspause(?) eingehandelt, wegen einer Anflugschneise nach Locarno-Tenero, der er in starker Thermik nicht mehr entgehen konnte. Ob Lars die Geschichte kennt? Er ging damals noch zur Schule...